Gäste aus der Krankenwohnung im Portrait
"Mit den Portraits habe ich für mich einen Weg gefunden, die Gesichter und Gesten unserer Gäste festzuhalten. Denn sie bleiben meist nicht länger als vier Wochen bei uns", erzählt Jule Marrenbach weiter.
Gesundheits- und Krankenpflegerin Jule Marrenbach fotografierte Gäste der KrankenwohnungFoto: Jule Marrenbach
Was für jeden gefährlich ist, wird auf der Straße schnell lebensbedrohlich. Die Caritas-Krankenwohnung richtet sich an obdachlose Personen, die meist nicht krankenversichert sind. Sie sind häufig verelendet und befinden sich in einem problematischen gesundheitlichen Zustand. In der Krankenwohnung können bis zu 15 obdachlose Frauen und Männer ihre Krankheiten im geschützten und betreuten Umfeld auskurieren.
Für das Fotoprojekt fragte Jule Marrenbach Gäste, zu denen sie Vertrauen aufgebaut hatFoto: Jule Marrenbach
Jule Marrenbach gehört als Gesundheits- und Krankenpflegerin zum festen Team der Caritas-Krankenwohnung in Moabit. Ihre private Leidenschaft, die Fotografie, hat sie auf die Idee gebracht, den Gästen der Krankenwohnung ein kleines Denkmal zu setzen: "Wenn ich mir die Fotos anschaue, erinnere ich mich an Gespräche und Erzählungen aus dem Leben der Portraitierten. An das Leben als Schiffskoch von Casablanca nach Asien, die Zeit im Gefängnis in Thailand wegen Drogenbesitzes, an die Erzählungen von ‚Graf Koks‘ vom Kottbusser Tor, eine vergangene Ehe in Griechenland oder bewegende Geschichten aus dem Kalten Krieg."
Für das Fotoprojekt fragte sie die Gäste, zu denen sie bereits eine Vertrauensbasis aufgebaut hatte, erzählt Jule Marrenbach. "Für meine Arbeit ist mir ein gewisses Maß an Vertrauen zu den Menschen, für die ich verantwortlich bin, besonders wichtig. Beim Fotografieren ist es ähnlich. Wenn bereits Vertrauen da ist, werden die Fotos authentischer. Mir gefällt dann besonders, dass wir im Moment des Fotografierens unser Vertrauensverhältnis besiegeln. Für mich ist das ein besonders schönes und wichtiges Feedback, gerade weil diese Menschen häufig das Vertrauen in ihre Umwelt und manchmal sogar auch in sich selbst verloren haben."
Einen Platz zum Gesundwerden finden wohnungslose Menschen in der KrankenwohnungFoto: Jule Marrenbach
Den Wenigsten sei es unangenehm, sich fotografieren zu lassen, die meisten fühlten sich sogar geschmeichelt und freuten sich über die Aufmerksamkeit und den besonderen Kontakt, der über den im Arbeitsalltag hinausging, so Marrenbach. "Wenn ich erzählte, was ich mit den Fotos machen will, spürte ich bei dem einen oder anderen Gegenüber fast ein bisschen Stolz, als Individuum wertgeschätzt zu werden. Häufig sehen sich obdachlose Menschen eher alltäglicher Stigmatisierung, Verachtung und bestenfalls noch Mitleid ausgesetzt."
Die 31-Jährige begegnet den Gästen in der Krankenwohnung auf Augenhöhe. Sie wünscht sich, dass sich ihr Bild von den Menschen durch die Fotos weiterträgt: "Meine Emotionen gehören zu einem authentischen Arbeiten mit unseren Bewohner*innen dazu. Über Verhalten nicht unmittelbar zu urteilen, den eigentlichen Hilferuf zu erkennen und in den Vordergrund zu stellen, das gehört für mich zu meiner professionellen Arbeit mit hilfebedürftigen Menschen unbedingt dazu. Ich freue mich, wenn sich die Betrachter*innen meiner Fotos ein eigenes Bild von diesen Menschen machen können und dadurch vielleicht auch mit einem anderen Blick auf die vielen Obdachlosen in unserer Stadt schauen"
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Jule Marrenbach auf Instagram: www.instagram.com/j.marrenbach.photography