"Machste was, haste auch Glück"
Am liebsten trug er Gesundheitsschlappen und Jeans - in der Uni, in der Freizeit, im Büro. "Damit habe ich erst in Berlin angefangen", erzählt Helmut Vollmar und deutet auf seinen edlen dreiteiligen Zwirn, mit dem er am Besprechungstisch sitzt. 22 Jahre ist das jetzt her. Ende Februar verabschiedet sich der Geschäftsführer der Caritas Krankenhilfe, des Malteser Werk Berlin sowie der Caritas Familien- und Jugendhilfe in den Ruhestand.
Helmut Vollmar (2.v.r.) wurde feierlich verabschiedet, nach 22 Jahren als Geschäftsführer der Caritas-KrankenhilfeWalter Wetzler
Vor ein paar Tagen war Helmut Vollmar in Brandenburg an der Havel: "Da haben wir den Erweiterungsbau des St. Marienkrankenhauses eingeweiht." 48 zusätzliche Betten wurden so für das Haus mit geriatrischem Schwerpunkt geschaffen, denn der Bedarf ist groß. Neben interdisziplinären Behandlungen steht vor allem das Üben des Alltags auf dem Programm. "Weiche Faktoren" nennt sie der 63-Jährige. "Damals galt das in der Medizin nicht viel, weil wir nur geriatrische Betten hatten", erinnert sich Vollmar an seine Anfangsjahre bei der Caritas Krankenhilfe Berlin. "Daneben war das große städtische Krankenhaus. Da machte es gar keinen Sinn, zum Beispiel auch eine eigene Abteilung für Innere Medizin zu haben." Mit seinem Pragmatismus und feinem Gespür sollte er aber Recht behalten haben, nicht nur in Brandenburg an der Havel.
Denn eigentlich egal, wohin Vollmar damals schaute: Alle ihm als Geschäftsführer anvertrauten Kliniken waren selbst zu Patienten geworden. Das Malteserkrankenhaus galt bereits verloren, doch Helmut Vollmar glaubte fest an die Rettung. "Ich war der Einzige. Auch wenn von den 100 Betten höchstens 40 belegt waren." Die Klinik Maria Heimsuchung in Pankow musste ebenfalls ums Überleben kämpfen. Die Häuser zu schließen, kam für Helmut Vollmar nicht in Frage. "Weil es gut war, was wir da hatten." Außerdem gehe es auch immer um Arbeitsplätze. "Das Personal hat fantastisch zusammengehalten und gerade im Osten waren die Leute hoch motiviert." Dankbarkeit und Anerkennung ist in seiner Stimme zu hören, wenn er davon erzählt und betont: Egal was Du machst: Alleine bist Du nichts."
Helmut Vollmar ist auf einem Bauernhof in der Rhön aufgewachsen. "Es hatte etwas von einer Bullerbü-Kindheit", sagt er. Der Dialekt kommt noch immer durch. "Wir haben überall im Dorf gespielt. Jeder kannte jeden und egal ob eigene Eltern oder Nachbarn - wir Kinder wurden quasi von der ganzen Dorfgemeinschaft erzogen. Und dabei ging es nicht sehr sanft zu" In der Schule hat er Blockflöte und Fiedel spielen gelernt. Ein "Blumenbestimmungsbuch" aus dieser Zeit steht noch heute in seinem Regal. Die Jahre glichen trotzdem nicht immer der Bilderbuch-Romantik von Astrid Lindgren. "Wir sind schon recht ärmlich aufgewachsen, hatten zum Beispiel lange keine Wasserleitung. Wenn die anderen Fußball gespielt haben, bin ich mit meinem blinden Vater zum Brunnen."
Caritasdirektorin Ulrike Kostka überreicht Berlin-typische "Ampelmännchen"-Accessoires zum AbschiedWalter Wetzler
Seine Herkunft hat Helmut Vollmar geprägt und motiviert. "Ich habe selbst entschieden, dass ich Abitur machen will." Nach seinem Abschluss mit 18 ging er zunächst zur Bundeswehr. "Das war für mich trotz des kriegsversehrten Vaters irgendwie klar", erinnert er sich. Dort schaffte er es bis zum Leutnant. "Das war sehr lukrativ. 1000 Mark habe ich damals als Gehalt bekommen." Nach zwei Jahren stieg er aus und freute sich, dass er mit seiner Abfindung von drei Monatsgehältern die ersten zwei Jahre seines Jura-Studiums in Marburg finanzieren konnte.
Im Herbst 1983, das Zweite Staatsexamen noch nicht in der Tasche, las seine Mutter in der Bistumszeitung "Bonifatiusboten" eine Stellenanzeige, dass das Ordinariat in Mainz einen Arbeitsrechtler sucht. Freunde lasen die gleiche Anzeige in der "Zeit". Sein Kumpel sagte schließlich: "Helmut, da musst Du Dich bewerben." Für das Bewerbungsgespräch kaufte er sich neue Schuhe, den Mantel lieh er sich vom Freund. "Ich bin immer in Gesundheitsschlappen und Jeans rumgelaufen", erzählt er. Der junge Vollmar sah die Bewerbungsprozedur eher als Übung für den Ernstfall und glaubte nicht an einen Erfolg. "Als die Zusage kam, war ich konsterniert."
Er bestand sein Zweites Staatsexamen und begann seine Stelle in Mainz. Zwei Jahre später wechselte er zum Deutschen Caritasverband nach Freiburg. Dort stieg er vom Referenten für Arbeitsrecht zum Referatsleiter auf, leitete zwischenzeitlich auch die Personalabteilung. Bis 1996 der Ruf aus Berlin kam.
Helmut Vollmar mit seinem Nachfolger Thilo Spychalski Walter Wetzler
Rückblickend sei er ganz froh, dass er nicht wusste, wie viele Herausforderungen in Berlin auf ihn warteten. Dennoch sei er dankbar, wie alles gekommen sei. "Ich hatte auch Glück", sagt Helmut Vollmar. Sein Motto: "Du musst was machen. Machste was, haste auch Glück." Gemacht hat er viel: Die Häuser der Caritas Krankenhilfe sind mittlerweile gut aufgestellt und glänzen mit hochmodernen Standards. Als bei der Caritas Altenhilfe kurzfristig die Geschäftsführung vakant wurde, sprang er für ein Jahr ein. Gleiches tat er zuvor beim Caritasverband als Personalchef nach der Fusion der vier Caritasverbände im Jahr 2005, auch bei der Caritas Familien- und Jugendhilfe zögerte er nicht, als ein zweiter Geschäftsführer gebraucht wurde. Sein größter Stolz ist jedoch das Hospiz in Pankow. "Das ist mein Haus", sagt Vollmar. "Auch da hatten wir Glück, dass wir das Grundstück neben der Klinik Maria Heimsuchung kaufen und ein neues stationäres Hospiz nach unseren Vorstellungen planen konnten." Es ist das erste und bisher einzige katholische Hospiz im Erzbistum. Ein Haus mit Ausstrahlung. Ein weiteres ist nun in Reinickendorf neben dem Dominikus-Krankenhaus geplant. Doch darum wird sich sein Nachfolger kümmern. "Ich habe mir jetzt erst mal ein Jahr verordnet, in dem ich nichts mache", erklärt er seine Pläne nach dem letzten Arbeitstag im Februar dieses Jahres. Helmut Vollmar, der 22 Jahre mit so viel Herzblut seine Position ausgefüllt hat, ist es nicht egal, wie es dort weitergeht. Dennoch sagt er: "Ich muss jetzt erst einmal Abstand bekommen, um ganz loslassen zu können. Eins ist mir dabei wichtig - ich gehe im Guten."